Nobelpreis 2020

Astronomie gibt oft Anlass zu Superlativen in der Forschung: außergewöhnliche Bedingungen im All, hohe Drücke oder völlige Abwesenheit von Druck (Vakuum), große Energien, exotische Landschaften und unvorstellbare Himmelskörper… Extrembedingungen jeglicher Art, die für Raumsonden, Marsrover oder Atmosphärenforschung auf Venus oder dem Saturnmond Titan … ganz neue Technologien abverlangen.

Auch die Beobachtungstechnik zur Beobachtung aus der Ferne hat immer neue Kniffe hervorgebracht und so ist das Bild vom einsamen Sterngucker nachts am Teleskop längst überholt: Moderne Astronomie passiert natürlich genauso am Computer wie jede andere Wissenschaft auch – und die Roboter(teleskope) zur Datenaufnahme stehen überall auf der Welt oder fliegen im All und sie beobachten in allen möglichen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums: Nicht nur im Visuellen (Licht), sondern auch im Radiobereich, im Röntgen-, im UV-, im Infrarotbereich und vielem mehr: Auch mit Teilchendetektoren (z.B. für Neutrinos) oder Gravitationswellendetektoren wird das Weltall erforscht.

Forschung ist oft ein Wechselspiel von Theorie und Beobachtung: Manchmal folgt zuerst aus einem Formel-Apparat der theoretischen Physik die Existenz von etwas unbekanntem, das später beobachtet wird (sei es die Existenz eines bestimmten Elementarteilchens wie des Higgs-Bosons, Nobelpreis 2013, oder die Entdeckung des Planeten Neptun, dessen Beobachtung 1846 aus „geschickt geratenen“ Annahmen in der Theorie folgte – zu einer Zeit, als es noch keine Nobelpreise gab). Manchmal beobachtet man etwas, das man nicht (sofort) erklären kann und für das die Theorie neue Lösungen finden muss.

Der Diesjährige Nobelpreis geht an drei Leute, die teilweise unabhängig voneinander und in verschiedenen Bereichen Schwarze Löcher entdeckten.

Idee von Schwarzen Löchern ist alt: Wir wissen, dass ein Apfel vom Baum auf die Erde fällt, weil die Schwerkraft ihn anzieht. Die Schwerkraft muss also überwunden werden, wenn eine Rakete die Erde verlassen soll. Es gibt eine Grenzgeschwindigkeit, ab der ein bewegter Körper gezwungen ist, nicht zum Zentralkörper zurück zu fallen, also ihn zu verlassen – die sog. Fluchtgeschwindigkeit. Bereits seit dem 18. Jh. wird darüber nachgedacht, was passiert, wenn diese Grenzgeschwindigkeit für einen Körper größer ist als die Lichtgeschwindigkeit: es würde ja bedeuten, dass das Licht langsamer ist als diese Grenzgeschwindigkeit, also den Himmelskörper eben nicht verlassen kann.

Was zunächst wie ein mathematischer „Trick“ wirkte, stellte sich später – mit dem neuen Gravitationsgesetz der Allgemeinen Relativitätstheorie – als physikalische Realität heraus.

Roger Penrose (Großbritannien), ein theoretischer (Astro)Physiker fand in den 1960er Jahren die modernen Grundlagen der Theorie solcher „obskuren Himmelskörper“ (das werden wir in unserem Planetariumsprogramm im Januar in mehreren Live-Veranstaltungen ausführlich thematisieren). Diese modernen Schwarzen Löcher haben sehr interessante Eigenschaften, aber nachdem sie eben nicht leuchten (können), können unsere Teleskope und anderen Detektoren sie nicht „sehen“.

Für die Beobachtung musste man sich daher einige Tricks einfallen lassen.

Zuerst wurde nachgewiesen, dass im Zentrum unserer Milchstraße ein Schwarzes Loch sitzt: Es ist riesengroß und supermassiv, seine Abmessungen sind größer als das Sonnensystem.

Woher wir das wissen, wenn wir es doch nicht sehen können?

Das haben die beiden anderen Nobelpreis-Träger nachgewiesen, Reinhard Genzel (Deutschland) und Andrea Ghez (USA): Mit ihren Teams haben sie das Schwarze Loch nachgewiesen, weil sie mit Infrarot-Teleskopen die Sterne im Herzen der Milchstraße beobachteten und über einige Jahre hinweg deren Bahnen bestimmten.

Grafik der Orbits von sechs Sternen im Zentrum der Milchstraße: aus dem Fachartikel von Eisenhauer, Genzel u.a. 2005. Die englische wikipedia verzeichnet in der Mitte von alldem einen kleinen Schwarzen Punkt, das Schwarze Loch. Hier die Publikation (engl.), aus der das Bild stammt.

Diese Bahnen von Sternen sind nur wenig größer als die Bahnen der äußersten Zwergplaneten unseres Sonnensystems. Das Zentralobjekt, um das sie sich bewegen, sollte also nicht größer sein als Pluto-Bahndurchmesser. Aus den Geschwindigkeiten dieser Sterne lässt sich ableiten, wie groß die Masse dieses Zentralobjektes ist und wenn nun Masse und Radius (ungefähr) bekannt sind, kann man abschätzen, dass das Objekt wohl kein normaler Stern sein kann, sondern ein Schwarzes Loch sein muss.

Beitrag von Susanne M Hoffmann