Sternbilder-Familien (?)

In einem Buch 1975 wurde durch den Direktor des Harvard Observatoriums in den USA vorgeschlagen, die Sternbilder nach Gruppen zu sortieren. Er nannte dies „Constellation Families“ und deren Karte findet sich heute in der wikipedia (engl.). Ich schlage eine Revision vor.


Donald Menzels Karte der Sternbilderfamilien

Was zeigt die Karte?

Familie grau (Zodiac): Der Tierkreis ist eine Sinneinheit, d.h. dies sind die zwölf Sternbilder, die so heißen wie die Sternzeichen der Astrologie. Das dreizehnte Sternbild, durch das die Sonne läuft, ist nicht zu dieser Familie gezählt. Menzels Zodiac-Familie ist also die astronomische Entsprechung zur Astrologie.

Familie gelb (Bayer) und Familie lila (La Caille): Die Namen der beiden Astronomen zeigen an, dass dies Gruppen von Sternbildern sind, die in einer bestimmten Karte der frühen Neuzeit abgebildet waren. Allerdings gibt es einen fundamentalen Unterschied: Lacaille hat Sternbilder bewusst neu erfunden, um Lücken aufzufüllen. Bayer tat das nicht – er hat nur kopiert, was schon andere vor ihm abgebildet haben. Wieso also heißt die Gruppe „Bayer“? Die Ursprünge (Origin/Year) der Sternbilder sind ja in dieser Karte durch die Schriftfarbe dargestellt: Warum sollten sie dann nochmals in den Flächen kodiert sein?

Familie „Orion“, Familie „Perseus“ und Familie „Ursa Major“. Orion ist als Himmelsjäger bekannt und zu ihm gehören seine beiden Jagdhunde und das Jagdopfer, der Hase – aber was hat das Einhorn damit zu tun? Um Perseus und Andromeda rankt sich eine Sternsage, in der auch Cetus, Cassiopeia und Cepheus vorkommen – schön, aber was haben Auriga, Pegasus und Triangulum damit zu tun? … oder gar Lacerta (Eidechse)??? Die Orion-Gruppe und die Perseus-Gruppe sind nach mythologischem Zusammenhang sortiert – aber es gibt keine Mythologie, die Ursa Major mit Draco verknüpft (mythologisch gehört Draco zu Herkules) oder mit Corona Borealis oder mit den neuzeitlichen Sternbildern Lynx und Camelopardalis…. Es scheint, als hätte er hier nur benachbarte Sternbilder zusammengefasst. Das könnte sinnvoll sein, wenn man z.B. jahreszeitenweise den Himmel erklärt. Andererseits hängen die Sternbilder der Gruppe „Himmlisches Wasser“ offensichtlich gar nicht benachbart zusammen, weshalb auch dieser Versuch, Menzels Gruppen irgendwie sinnvoll zu erklären wohl nicht zum Ziel führt.

Familie „Heavenly Waters“: Wenn er hier versucht, alles Wässrige zusammenzufassen (Schiff, Eridanus, Delphin, Südlicher Fisch), warum sind dann Dorado, Volans und Pisces nicht in der Gruppe? – Vermutlich waren die bereits in einer der oben genannten anderen Gruppen einsortiert, aber das spricht dafür, dass diese Einteilung nicht besonders sinnvoll ist und man die Familien anders wählen sollte.

Fazit: Irgendwie ist diese Karte ein Chaos. 

Die Idee einer solchen Karte ist im Prinzip gut, aber der Autor unternimmt hierfür so viele verschiedene Ansätze, die sich gegenseitig wiedersprechen, dass das Ergebnis ungeordnet erscheint. Man sollte vielmehr

  • entweder klar nach Herkunft oder nach mythologischem Sinnzusammenhang kodieren und nicht beides gleichzeitig
  • bei der Herkunft wirklich die Herkunft angeben und nicht ein zufälliges Werk, das zur Verbreitung von Vorschlägen anderer diente (weder Ptolemy noch Bayer sind „Herkunft“, sondern beide sind Kompilatoren, die die Erkenntnisse anderer zusammenfassten)
  • Sinnzusammenhänge nach Sinn angeben und nicht nach Laune – also beim Zusammenhang „Sonnenbahn“ auch alle Sternbilder der Sonnenbahn zusammenfassen; beim Schiff auch alle, die dazu gehören (d.h. insbes. Volans und Dorado) … usw. usf.

Verbesserungsvorschlag

Zeichnen wir zuerst eine Karte, in der wir die Sternbilder nach ihrer Herkunft einfärben. Ich sehe das so:

Karte der Sternbilder (von Stellarium, Zotti et al. 2020) eingefärbt nach Herkunft.

beige-farben: babylonische Sternbilder blau: griechische Sternbilder

hellgrün: Sternbilder der niederländischen Seefahrer (Abbildung auf Plancius‘ Globus 1598, in Bayers Uranometria 1603, Sternkatalog von de Houtman ebenfalls 1603 publiziert)

dunkelgrün: englisch, in den 1670ern

dunkelrot: Hevelius (polnisch), 1687

pink: Lacaille (französisch), 1756

leopardenfell-gemustert: Giraffe, von Plancius erfunden

gelb: christlich. Davon ist der Schild von Hevelius erfunden worden, Einhorn und Taube (vermutlich) von Plancius (beim Einhorn ist das nicht ganz sicher) und das Kreuz hat sich vermutlich unter Seeleuten als Orientierungshilfe entwickelt, denn eigentlich gehörten diese Sterne zum Kentauren. Wollen wir nur die antiken Sternbilder betrachten, wird es übersichtlicher:

Sternbilder eingefärbt nach ihrem Kulturkreis

Blau sind wieder die griechischen, beigefarben die babylonischen und gelb die christlichen Sternbilder eingefärbt. Die Fische habe ich blau-beige-gestreift, weil diese Sternbildergruppe babylonisch ursprünglich ganz anders ausgesehen hat, bereits in Mesopotamien starken Transformationen unterworfen war und das Bild der zwei Fische vielleicht erst im Transfer eines „Schwalbenfisch“s nach Griechenland entstanden ist. (Ich vermute, das wird Mathieu Ossendrijver, FU Berlin, in seinem derzeitigen Forschungsprojekt irgendwann herausfinden.)

Mythologische Gruppen

Einfärben der Karte nach Sternbilder-Gruppen, also nach mythologischen bzw. kultischem Zusammenhang liefert wieder ein anderes Bild:

dieselbe Stellarium Sternkarte mit den Flächen eingefärbt nach Sinnzusammenhang.

dunkelblau: die Figuren der Andromeda-Perseus-Legende (Andromeda und Perseus, das Seeungeheuer Ketos und Andromedas Eltern)

orange: Herkules-Mythos, nach dem der Hero gegen Drache (Schlange der Hesperiden-Äpfel), nemeischen Löwen und einen Krebs kämpft.

grün: die himmlische Jagd-Szene (Orion-Gruppe) der Jäger Orion wird von zwei Jagdhunden begleitet, er kämpft mit dem Stier, aber sein Hund jadgt den Hasen

hellblau/ wässrige Sternbilder: Das riesige Schiff (Puppis, Carina, Vela), das die Niederländer gegenüber den antiken Schiff vergrößert haben, mit dem Fliegenden Fisch, der vllt an Deck landet und als Nahrung dient, weil er von der Goldmakrele (Dorado) gejagt wird.

leicht grau: Hydra-Gruppe Wer will, kann nach der griechischen Sage auch die Hydra mit Becher und Rabe verbinden. Der Sage nach soll der Rabe die Hydra im Schnabel zu Apollo getragen haben. Angesichts der Größenverhältnisse ist das nicht sonderlich überzeugend, was auf die fremde Herkunft (s.o.) dieser Sternbildergruppe hindeutet. goldgelb: „heilige“ griechische Sternbilder: der Altar bezeugt Schwüre und Eide, der Kentaur bringt den Göttern ein Opfertier dar, Virgo und Ursa Major symbolisieren griechische Initiationsriten für Männer bzw. Frauen.  

Referenzen:

http://stellarium.org

Zotti, G., Hoffmann, S. M., Wolf, A., Chéreau, F., & Chéreau, G. (2020). The Simulated Sky: Stellarium for Cultural Astronomy Research. Journal of Skyscape Archaeology, 6(2), 221–258. https://doi.org/10.1558/jsa.17822

Beitrag von Susanne M Hoffmann